Prof. Dr. Philippe Büttgen, Paris

Kant und die Kirche. „Was ist Aufklärung?“ neu lesen

Vortrag von Prof. Dr. Philippe Büttgen (Paris)
im Rahmen der Halle Lectures 2021/22 (Vorlesungsreihe
Aufklärung heute)

8. Juni 2022, 18 Uhr s.t.
Bibliothek des IZEA
Franckeplatz 1, Haus 54
06110 Halle (Saale)

Seit Habermas und Foucault konzentriert sich die Debatte um die Aktualität der
Aufklärung auf die Interpretation von Kants Schrift „Was ist Aufklärung?“ von 1784. Von diesem Text liest man dennoch nur die ersten Zeilen: „Sapere aude“— „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“.

Demgegenüber entwickelt der Vortrag ein „legere aude“. Denn es ist an der Zeit, „Was ist Aufklärung?“ endlich wieder zu lesen und zu kontextualisieren, und zwar als eine Streitschrift, die wie kaum eine andere die Theologie ihrer Zeit subvertierte. Kant ist der Erfinder einer alternativen Pastoraltheologie; er hat sämtliche Leitbegriffe dieser typischen Ausrichtung der Aufklärungstheologie — Amt, Kirche, Bekenntnis — einer drastischen Transformation unterzogen.

Die Diskussion um „Aufklärung heute“ wird erst wieder relevant, wenn man den religionskritischen Ansatz im Sinn behält, den Kant anhand seiner Auseinandersetzung mit der Macht der Pfarrer entwickelt hat.

Zum Flyer der Reihe geht es hier.

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Über die “Halle Lectures”

Die Erforschung des 18. Jahrhunderts spielt in Halle eine herausgehobene Rolle, an den Forschungszentren der Universität ebenso wie in den Franckeschen Stiftungen. Betrieben wird diese Forschung in dem Bewusstsein, an den Grundlagen der modernen Gesellschaft zu arbeiten und mit der Historie immer auch ein Stück unserer Gegenwart zu kritisieren und damit ‚aufzuklären‘.

In jüngster Zeit ist die Maßgeblichkeit der Aufklärung sowohl in wissenschaftlichen als auch in gesellschaftlichen Debatten in die Kritik geraten. Wieviel Selbstüberschätzung steckt im Anspruch der Aufklärer? Ist Aufklärung nicht – wie die christlich-pietistische Mission – trotz der von ihr beanspruchten Universalität, ein partikulares Projekt, das die Vorherrschaft Europas mehr gestärkt als in Frage gestellt hat? Wieviel taugen die kritischen Verfahren, die anthropologischen Leitbilder und die politischen Ideale des 18. Jahrhunderts noch in einer Zeit, in der sich partikulare und nationalistische Tendenzen rapide auszubreiten scheinen?

Um solchen Fragen nachzugehen, haben die in Halle ansässigen Forschungseinrichtungen, die zentral mit dem 18. Jahrhundert befasst sind, eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Jährlich zwei herausragende, international renommierte Wissenschaftler werden gebeten, ihre Sicht auf die Erforschung des 18. Jahrhunderts und deren Bedeutung im Kontext der aktuellen Weltlage darzulegen. Historische Fundierung und gegenwartsbezogene Problematisierung sollen dabei verbunden werden, ebenso lokale, nationale, europäische und globale Perspektivpunkte. Die Vorträge richten sich sowohl an Forscher und Studierende als auch an die weitere Öffentlichkeit.[/vc_column_text]

Die Halle Lectures sind eine Kooperation des Interdisziplinäres Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA), der Alexander von Humboldt-Professur für Neuzeitliche
Schriftkultur und europäischen Wissenstransfer, des Interdisziplinäres Zentrums für Pietismusforschung (IZP), der Franckeschen Stiftungen zu Halle und des Landesforschungsschwerpunkts »Aufklärung — Religion — Wissen«